SCHLOT 1

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Die Vernissage unserer Ausstellung Schlot 1.3 - Landfahrer in Nettersheim / Kulturbahnhof KuBa, 7. Mai 2017


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Impressionen der Vernissage zu unserer Ausstellung Schlot 1.2 - Nacht-Wandler im KunstForumEifel, Schleiden-Gemünd am 13.11.2016.


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- Magische Merkwürdigkeiten -
Ein Bericht zur Ausstellung SCHLOT 1.
1 - Vulkan im Landtag Mainz, 2014

Im September und Oktober 2014 geschahen im alterwürdigen Deutschhaus in Mainz, dem Sitz des Landtags von Rheinland-Pfalz, merkwürdige Dinge.
Im Foyer wurde eine Ausstellung präsentiert. Eine Künstlergruppe namens "Schlot 1" zeigte Bilder und Objekte, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema "Vulkanismus" befaßten. Die Ausstellung nannte sich "
Schlot 1.1".

Auf den ersten Blick mutete in dem barocken Residenzbau am Platz der Mainzer Republik 1 eigentlich alles an wie immer. Die Landtagsabgeordneten hasteten von Raum zu Raum, die Flure entlang, des Mittags in das nebenan liegende "Deutschhaus-Café", an Sitzungstagen in den Plenarsaal im ersten Stock. Meist waren sie in Gedanken vertieft oder aber in ein intensives Gespräch mit Kollegen und hatten kaum Augen und Ohren für das, was um sie herum vorging. Beim Durchqueren des Foyers erfaßte sie zwar eine ganz kurzfristige, wenn auch intensive Wärme, die sie zunächst irritiert aufschauen ließ, sie schüttelten unmerklich leicht mit den Kopf angesichts dieser nicht definierbaren Wahrnehmung und gingen dann sogleich zielstrebig weiter.

Betrat aber ein Gast das Foyer, einer mit Zeit und Muße und auch offenen Sinnes, der wurde sogleich von einer Art Glutwolke gepackt. Wie von einem Sog wurde er ins Zentrum des Raumes gezogen und blickte nun langsam und erstaunt um sich. Dort, unmittelbar neben dem Eingang, diese großen Bilder! Voller Details und so realistisch gemalt, daß man es kaum glauben mochte! Türme, aufgetürmt aus turmhohen Stein-, Holz- und Metallfragmenten, aus denen es dampfte, aus denen geräuschvoll Züge fuhren und auf denen aus milchigen Glaskolben Wasserdampf destillierte. Man hörte es geradezu scheppern, quietschen und schleifen, das rätselhafte vulkanische Mahlwerk, das in wolkig-blaues Tageslicht getaucht war. Der Maler Eberhard Marx, der gleich ein Bild weiter höchstpersönlich als Astronaut in einem von nachtblauem Sternenhimmel umhüllten Planetenkrater zu sehen war, beherrschte ohne Zweifel sein Metier. "Das ist Magie, das ist
Magischer Realismus!" wisperte es im Ohr des Betrachters. Und dieser ließ bewundernd seine Blicke weiterschweifen.

An einer nebenliegenden Wand hingen vier riesige Bilder eng zusammen. Breite schwarze Pinselstriche formten scheinbar mühelos feine graphische Gebilde, die als vulkanisch geprägte Eifel-Landschaften sowohl unmittelbar zu erfühlen als auch mit dem Auge sogleich zu erkennen waren. Die Grafikerin Jeanne Lessenich hatte grob und zugleich fein, was eine große Kunst war, Höhenzüge und Täler der Eifel in japanischer Manier husch, husch mit schwarzer Tusche auf Papier und Leinwand getuscht. Nur wenige Kleckse und Pinselstriche in Rot, Grün und Blau leisteten dem Schwarz Gesellschaft, mehr war nicht nötig, um alles ins rechte Licht zu rücken. Ein Luftzug streifte das Ohr des Betrachters und flüsterte, kaum hörbar: "Das ist Magie, das ist
magisch-japanologischer Grafikalismus!" Der Betrachter glaubte das auf der Stelle, denn gerade erst war er mit schwarzen Krähen über kahle Bäume und windumtoste Eifelberge geflogen.

Gebremst wurde er von einem kleinen Stein, der auf einem Sockel stand. Nein, das war ja gar kein Stein, das war ein fossiliertes Blumentier! Es hatte bunte Punkte, die der Künstler Jonas Etten in jede seiner zahlreichen Vertiefungen gemalt hatte. Oder war das der Blitz gewesen, der sie zu Ehren des Gottes Jupiter hineingebrannt hatte? "Fulgur summanum conditum...." murmelte der Betrachter gedankenverloren, und sogleich summte es auch in seinem Ohr: "Das ist
magisch-fossilierter Fulgurismus!"

Nun ging der Besucher weiter und kam gleich zu mehreren Vulkanen. Sie befanden sich in unterschiedlichen Stadien, entweder rauchten sie aktiv und gebaren wundersame Gestalten und Gebilde, oder sie schliefen und träumten einen Jahrmillionen alten rätselhaften Traum. Auf feinem Stoff waren sie abgebildet, zart und transparent und gar nicht erdenschwer, wie man es vielleicht erwartet hätte.
Die Textilkünstlerin Nadja Hormisch verlieh ihnen mit seidigem Faden eine Stimme und entlockte ihnen ihre Worte, die sonst nur allzuleicht unter Basaltschichten verloren gehen. "Zeit und Geheimnis..." raunten sie, und der Bausenberg, der uralte, von knorrigen Eichen bestandene Kegelvulkan unweit des Laacher Sees, seufzte leise im Schlaf. Ein kühler Feuersalamander kam daher, gerade hatte er einen ungleich größeren, hitzigen Drachen im Kampf besiegt. Er füsterte dem Betrachter ins Ohr: "Das ist Magie! Das ist
magisch-seidologischer Salamandismus!"

Der Gast ging langsam weiter und kam zu einer Wand, die ihm entgegenleuchtete. Gelbe und rote Töne, als sei ein Vulkan soeben erst ausgebrochen und würde die Welt nun mit Feuer und Farbe übergießen. Doch, halt – es konnten auch die Karten uralter Landvermesser und Geographen sein! Man mußte sie nur richtig lesen! Es war ja so leicht, sich in die Irre führen zu lassen, wenn man alten Mustern blindlings vertraute. Eine Farbe war hier nicht unbedingt nur eine Farbe, sondern vielleicht auch eine Signatur oder ein Zeichen. Das man sich aber in der Vulkaneifel befand, das zumindest war sicher. Der Maler Manfred Etten hatte nämlich auch die basaltenen Farben des Gonnenstall-Vulkans auf die Leinwand gebannt, Schicht für Schicht, Zeitalter für Zeitalter. Das Grau leuchtete genauso wie vorher das Gelb und das Rot. Der Betrachter rieb sich ob solcher Strahlkraft verwundert die Augen und vernahm just in dem Moment ein Rauschen in seinem Ohr: "Das ist Magie, das ist
magisch-kartographischer Gonnenstallismus!"

Nun wurde es praktischer, ja, handfester. Gleich nebenan hingen drei Küchenlehrkästen, die mit vielen illustratorischen Informationen über drei weltbekannte Vulkane versehen waren. In die Lehrkästen vertieft, lernte der Betrachter die besonderen Einzelheiten und betrachtete zugleich die Modelle der jeweiligen Vulkane, die in den Tiefen der kleinen Kästen ausgestellt waren. Aus Wolle detailgetreu und maßstabsgerecht gefilzt, namen sie einem die Angst vor den übermächtigen Originalen. Es waren Vulkane, mit denen man im Alltag leben konnte. Die Vulkane wurden zu Freunden. Der Betrachter war neugierig geworden auf die Arbeiten der Textilkünstlerin Beate Lambrecht. Er ging weiter zu drei Feuerstühlen, die in der Mitte des Raumes standen. Feuerstühle? Ja, genau! Man konnte sich in Gedanken auf die Stühle setzten, sie waren kunstvoll rot-schwarz befilzt, mit Kabeln, Schaltern, Hebeln, Knöpfen, Fernbedienungen, Antennen versehen und sehr bequem. "Nimm Platz! Trau Dich!" vernahm der Besucher. "Das ist
magisch-verfilzter Experimental-Pragmatismus!" Er konnte nicht wiederstehen und setzte sich gedanklich auf einen mit schwarzweißen Noppen befilzten Stuhl.

Und nun ging alles sehr schnell – der Besucher erkannte, daß es sich um einen Fahrstuhl handelte, der den Vulkanschlot hinunterraste – wenn man wollte, bis zum Mittelpunkt der Erde. Die abenteuerliche Reise geriet fast schon vertraut, denn der Gast begegnete im
Schlot 1.1 vielen alten Bekannten: dem magischen Astronauten Eberhard, den grafischen Krähen in den malerischen Bäumen, dem kleinen fossiliertem Blumentier, dem kühlen, seidigdunkelblau schimmernden Feuersalamander und natürlich den alten Kartographen. Und so schnell er hinuntergerast war, so schnell war er auch wieder oben.
Etwas benommen schwankte er nun zum Ausgang, nicht ohne vorher noch versehentlich gegen einen eilig vorbeihastenden Parlamentarier zu rempeln. Draußen, auf dem Platz der Mainzer Republik, blinzelte er in die Sonne. "Wem nur soll ich das bloß erzählen..." dachte er, immer noch angemessen verwundert, und setzte seinen Weg fort.

Drinnen im Deutschhaus wurde nun allmählich alles ruhig. Der Pförtner begab sich daran, das Landtagsgebäude für heute zu schließen. Die letzten Abgeordneten und Angestellten gingen durch das Portal hinaus auf den Platz. Im Foyer wisperte es nun, es räusperte sich, es seufzte... eine eingeschworene Gemeinschaft aus Bildern und Objekten begab sich zur Abendruhe. Sie hatten es sich in den Kopf gesetzt, auch am nächsten Tag Besucher und Besucherinnen ihrer Wahl in den Bann und in die Magie ihrer Geschichten zu ziehen. Welche Geschichten das sein sollten, war noch nicht sicher – es konnte dieselbe wie heute sein oder doch schon wieder eine ganz andere. Es gab ja so viele Geschichten... und bei
Schlot 1.1 wußte man nie so ganz....
Aus einem der magisch-realistischen Glaskolben entwich zischend eine Wolke Wasserdampf. Gleichzeitig löste sich aus der "Gonnenstall-Studie 1" ein kleiner kantiger Basalt und kullerte zu Boden. Der Salamander blinzelte und sagte zu sich selbst: "Wer morgen früh als erstes über den kleinen Basalt stolpert, dem erzähle ich von meinem Kampf mit dem Drachen!"


Nadja Hormisch